Designdidaktik

Ein Projekt zur Förderung und Forderung einer Fachdidaktik für die Lehre des Design.

AllgemeinGedanken zur Designlehre

Designdidaktik!? Gedanken zur Motivation diese Plattform einzurichten.

Design wird seit langem gelehrt. Also könnte man folgern, dass es a.) lehrbar und b.) die Lehre hierzu in irgendeiner Form nachvollziehbar und damit c.) wohlmöglich sogar planbar sei. Allerdings zeigt sich bei genauerer Betrachtung die Situation der Lehre ebenso vage, wie die Frage nach der Lehr- geschweige denn Planbarkeit. Nicht wenige vertreten die Auffassung, dass es im Prinzip auf den Lernenden ankomme. Jener müsse das notwendige Rüstzeug in Form von Willen und Talent im wesentlichen selbst mitbringen und sich im Geflecht von Lehrangeboten und Dozenten so seinen eigenen Weg suchen. Das versucht man mit den heute üblichen Aufnahmeprüfungen folgerichtig wie unhinterfragt sicher zu stellen. Eine pädagogische Ausbildung auf Seiten der Lehrenden ist nicht vorgesehen, die fachliche Eignung wird in der Regel rein über den “gesunden Menschenverstand” der Prüfungskommission bewertet. Objektifizierbare Kriterien, also solche die über die Dauer der beruflichen Praxis, die gefühlte Wichtigkeit der betreuten Einrichtungen oder nominelle Anzahl von Ausstellungen hinausgehen sind nicht vorhanden. Netzwerke und oder situativ gewonnenes Vertrauen in die Person müssen hier geradezu zwingend die Abwesenheit von belastbaren Kriterien ersetzen. Die Durchführung der Lehre reicht von Selbstüberlassung über Frontalunterricht mit Hausaufgaben bis hin zu einer Bandbreite aus oft individuell wie situativ entwickelten Ansätzen – je nach Gusto des Lehrenden. Da die Lehrenden nunmehr aus einer Generation entstammen, die ihrerseits bereits von de facto Autodidakten unterrichtet wurden, findet in Folge der nahezu vollständig zu bezeichnenden Selbstbezüglichkeit aller Protagonisten vielerorts eine implizite Akademisierung der Designausbildung statt. Design als das zu bezeichnen, womit sich Designer beschäftigen und somit zu schlussfolgern, dass Designforschung eben das ist, was Designprofessoren machen mag ja auch ohne Diskurs in reiner Nebeneinanderstellung noch angehen. Design als Gegenstand von Hochschullehre ist jedoch qua Auftrag an erster Stelle die Vermittlung von Handlungswissen im Kontext der Wertschöpfungsketten innerhalb derer sich das Berufsfeld Design ereignet, die es zum Teil sogar maßgeblich steuert und umdefiniert. Wer hier nicht augenblicklich einen Widerspruch, keine klaffende Diskrepanz zwischen ungesteuerter und willkürlicher Ausbildung und zum Teil extrem reglementierter beruflicher Praxis sieht, der akzeptiert auch implizit die Einschätzung Dritter, dass das Design zu wenig mehr als dazu geeignet sei handfestes am Ende etwas aufzuhübschen. Interessanterweise bemühen sich die anderen Dsiziplinen vom Ingenieurwesen bis zu den Wirtschaftswissenschaften zunehmend um einen strukturierten Zugang zum Design. Hier werden neue Studiengänge und neue Selbstverständnisse hervorgebracht. Produktmanagement und die zunehmend öfter in Stellenausschreibungen von leitenden Ingenieuren anzutreffende Zusatzqualifikation im Design seien hier stellvertretend genannt. Nur das Design selbst tut sich nach wie vor schwer damit zu akzeptieren, dass es eine Disziplin sei. Man preist die Freiheit der Lehre, sucht aber bei Lichte oftmals einfach nur den einfacheren Weg, den ohne eine disziplinwürdige, ja diese erst bildende übergreifende Diskussion. Inhalte, Ziele und Vermittlung werden wenig überraschend blumig wortreich beschwiegen oder fragmentiert in kleinen und kleinsten Bezügen besprochen. Gleichsam wie in der Kunstausbildung organisiert sich die Lehre oft in mentalen Zugehörigkeitsräumen um einzelne Professoren. Die Professorenschaft ihrerseits gliedert sich in Lager oft unausgesprochener Nähen. Eine Diskussion scheitert oft schon an der fehlenden gemeinsamen Sprache, gelegentlich wohl auch Willen und verbleibt in Folge allzu oft im vagen und damit im für alle unbequemen. Die Problematik inhaltlicher Auseinandersetzung wird daher gerne durch Substitute umschifft oder unwidersprochen von außen gesetzt.

Beispiel: Ich liebe Schultafeln. Ein in jahrhunderten vollständig durchkonstruiertes didaktisches Hilfsinstrument. Es inkorporiert das Ephemere der Skizze mit dem Potential der Zeichnung, dies bei bester Les- und flüssigster Beschreibarkeit. An meiner Einrichtung wurden diese durch die Verwaltung sukzessive durch Whiteboards ersetzt. Ich will jetzt nicht das an anderer Stelle durchaus besprechenswerte für und wider aufzählen, sondern das eigentümliche an der Entscheidung als solcher: Es gab keine Auseinandersetzung über die Einsatztauglichkeit – nur ein Einvernehmen über die Motivation. Man wolle eine zeitgemäßere Lehre transportieren. Was der Austausch einer Tafel durch eine Tafel mit einer didaktischen Modernisierung zu tun hat blieb ebenso unbeantwortet, wie es klar war, dass sich zu den Whiteboards recht schnell noch Beamer, Rechner, Lautsprecher und Leinwände scharten. Ungezügelter technokratischer Aktionismus ist für mich ein übersehbares Zeichen einer nicht geführten inhaltlichen Debatte. Eine Beobachtung,  die ich innerhalb meiner Lebenserfahrung und an meiner damaligen Institution mehr oder weniger unreflektiert getroffen habe. Ein Blick über den eigenen, kleinen Tellerrand verliert sich jedoch schnell im Nichts, denn ein gelebter Diskurs zur Didaktik des Design existiert nicht, schon gar nicht übergreifend. Die Literatur zum Thema der Designlehre ist ebenso rar wie widersprüchlich. Es gibt nicht mal einen Wikipediaeintrag zur Designlehre oder Designdidaktik, was wohl heute der treffendste Beweis für eine vollständige Inexistenz wäre. Selbst Gänseblümchen haben einen Eintrag. Nun kann man sich damit begnügen und Designdidaktik zu einem exotischen Hobby von spleenigen Dozenten abstempeln.

Könnte man, wenn wir nicht von den 2 497 819 Studierenden (1) im Wintersemester 2012/13 knapp 150 000 im Bereich der Gestaltungsstudiengänge unterrichtet würde. Das wäre nach den Rechts- Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, den Ingenieurwissenschaften und den Naturwissenschaften immerhin noch vor der Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften die viertstärkste Studierendengruppe. Wäre es, wenn es denn erfasst wäre. Die Studierenden des Design sind jedoch in den Statistiken verstreut teils den Kultur- , den Sozial-, den Wirtschafts- und den Kunstwissenschaften sowie (für mich besonders schmerzlich) der Freien Kunst zugeordnet. Wir reden also von einer Anzahl Dozenten im deutlichen vierstelligen Bereich. Könnte man, wenn der Bereich Design reduziert auf Freischaffende Designer und Agenturen, also ohne Unternehmensanteile 2011 19,39 Mrd Euro (2) umsetzte und im Stellenanteil am Arbeitsmarkt seit Jahren stetig steigend ist (3) und sich in den Turbulenzen der letzten Jahre als überdurchschnittlich krisenfest zeigte. Es ist also ein durchaus großer und gewichtiger Anteil. Wenn Autodidaktismus und freies Experimentieren dies begründen, dann sollten wir es zumindest wissen und nicht aus dem Alltag ableitend vermuten. Wenn man über einen methodischen Ansatz dies befeuern könnte, um so besser.

Wir wissen aus eigener Lehre, dass das Design, bis auf den Willen sich darauf einzulassen (=Neugierde) nahezu vorbedingungslos lehrbar ist. Wir wissen belegbar, dass die Lehre hinsichtlich Rhythmus und Ergebnis durchaus planbar ist. Dies sogar sehr fein abgestimmt und geradezu präzise in der Vorhersage ihrer Ergebnisräume. Abseits vom banalen Plazet wo Lehre da Didaktik muss es also so etwas wie eine individuelle Didaktik des Design geben. Diese kritisch zu untersuchen, Erfahrungen und Ergebnisse besprech- und vergleichbar zu machen ist unser Anliegen mit dieser Seite. Dies praxisnah. Der für die Didaktik notwendige theoretische Diskurs dessen was Design nun sei wird an anderer Stelle geführt. Hier nur in soweit dessen Verständnis für dessen Didaktik von Belang ist (Die letzte Zeile lesend und den aktuellen Stand der Diskussion vor Augen, muss ich lachen: Eine Einschränkung sieht bei Lichte betrachtet wahrlich anders aus).

1) Quelle: statistisches Bundesamt. Fachserie 11, Reihe 4.1 “Studierende an Hochschulen”,
Vorbericht, Artikelnummer 2110410138004, Wiesbaden März 2013

2) Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Website Initiative Kultur- Kreativwirtschaft
http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KuK/Navigation/Kultur-Kreativwirtschaft/designwirtschaft.html

3) Quelle: statistisches Bundesamt, Bruttoinlandsprodukt 2012 für Deutschland, Januar 2013

Guido Kühn

2001-2013 Professur AV Mediendesign an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Hall | 2011-2016 Dozent für Designtheorie und Praxis, AV Medienkommunikation und Social Media Management an der Hochschule Heilbronn | 2015-2018 Professur Cross Media Design an der Hochschule Heidelberg | Seit 2022 Professur Gamedevelopment-2D Art and Animation an der Hochschule Neu-Ulm mit Philip Zerweck Gründer von Plattform und DGTF Themengruppe Designdidaktik. de

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