Designdidaktik

Ein Projekt zur Förderung und Forderung einer Fachdidaktik für die Lehre des Design.

Gedanken zur Designlehre

Besuch bei: Studentenausstellung 2014 Kunsthochschule Kassel

Rundgang

Die jährliche Präsentation der studentischen Arbeiten heisst in Kassel “Rundgang”. In den 90ern als studentische Initiative, z. T. gegen manche Professoren, grasrootgemäß entwickelt, ist der Rundgang seit längerem eine Top-Down-organisierte Prestige-Veranstaltung der Kunsthochschule.

Hier meine Eindrücke vom Besuch der Studentenausstellung 2014 der Kunsthochschule Kassel. Über den Bereich Kunst möchte ich hier nicht schreiben, sondern ausschließlich über die Bereiche Produktdesign und Visuelle Kommunikation.

Alleine dies ist nicht möglich, verschwimmen doch die Grenzen gar sehr.

Didaktisches Konzept

Das Konzept unter dem Motto “blickwechsel” sah diesmal bewusst eine noch stärkere Durchdringung der drei Studiengänge vor, als dies durch die bewusste interne und externe Vermarktung des Fachbereichs der Universität als “Kunsthochschule Kassel” eh schon stattfindet. Es ist von dem Tausch der Klassen die Rede, meint, die Klasse des einen Professors stellt in den Klassenräumen des anderen aus. Aha, das System der künstlerischen Professorenklassen als didaktisches Konzept ist nun also flächendeckend selbst im Diplomstudiengang Produktdesign Usus.

So unterscheidet sich die Projektklasse Industrie-Design von Prof. Hardy Fischer (indem natürlich die Werke der Studierenden ausgestellt sind – nicht seine) von der einer Kunstklasse nur durch das bessere Styling der Artefakte und den gefälligeren Darbietungen … die Werke selber könnte man unter dem Begriff “Statements zur Gesellschaft” vereinheitlichen. Es werden Einzelstücke gezeigt, welche jeweils ein Accessoire einer (mehr oder weniger bekannten) Romanfigur sind. Sicher ist die Breite der gezeigten gestalterischen Arbeiten groß, jedoch …

“real Design”

… zeigte ein Raum der Möbeldesigner eben im Kontrast mein Unbehagen: Dort wurden Möbelentwürfe von Studierenden gezeigt, welche zum Thema “Out Of The Box” hatten. Bemerkenswert war, das diese von keinem Professor, sondern einem künstlerischen Mitarbeiter betreut wurden. Die Aufgabenstellung war, Designs zu entwickeln, welche bewusst nicht mit den örtlichen Werkstätten zu fertigen sind, sondern, die Fertigung der Industrie in Betracht ziehen sollten. Also eben Entwürfe zu machen und keine Prototypen-quasi-Nullserien zu bauen. Noch deutlicher: die Studierenden im Fach Produktdesign, sollten ausnahmsweise Produkte (der Lebenswirklichkeit) designen, anstatt akademisches Basteln aka Kunsthandwerk zu betreiben. Das sind nicht meine Erklärungen, sondern nur meine Worte …

Ja, das ist mein Unbehagen, sehe ich die aktuellen Arbeiten in Kassel: das Gefühl, das auf sehr hohem ästhetisierendem Niveau Studierende Entwurfshandeln einstudieren, das mit den Anforderungen des realen Lebens, auch mit den Bedürfnissen der Gesellschaft wenig zu tun hat. Die Lebensrealität eines Designers sieht nicht vor, Produkte selber zu bauen, nicht mal mehr die Modelle, allenfalls 3D-Skizzen. Die Komplexität der modernen Produktgenese ist in den ausgestellten Entwürfen selten widergespiegelt, wird das woanders gelehrt / -lernt? Ist das Entwurfsprojekt nicht das in dem alles zusammenfließen sollte?

positive Ausnahmen

gibt es auch hier, daher seien genannt: die Arbeiten der Studierenden von Markus Schein im Bereich CAD/CNC, algorithmischer Designmethoden und dem “Caulfield Sound Shell – Projekt”, sowie die Studierenden im Bereich Design textiler Produkte bei Barbara Hieronymi, Nil Atalay und Ayzit Bostan. Wer sich hier mit algorithmischen Designmethoden respektive generativer Gestaltung beschäftigt, wird – so wurde mir berichtet – vom Fleck weg von großen (Architektur-) Büros angeworben. Die Lösungen beziehen sich in der dortigen Lehre / den Projekten nicht auf grafische Spielereien oder Videos, sondern auf konkrete und mindestens als Modell realisierte 3D-Aufgaben mit stark konstruktivem Anteil. Gezeigt wurde ein realer Ausschnitt der Wand- / Dachkonstruktion eines Ausstellungspavillions, der in Zusammenarbeit mit der Monash University in Melbourne, Australien dort realisiert wurde. Link

Bei den Entwürfen des Bereichs Design textiler Produkte besticht in Summe die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Technologie und der Herstellung bei gleichzeitiger haptischer und visueller Anmutung: absolut weit weg von geschmäcklerischer Dekoration.

Programm hier: blickwechsel rundgang ’14

 

Philip Zerweck

Autor, Produktentwickler, Designlehrer und Designwissenschaftler

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