Designdidaktik

Ein Projekt zur Förderung und Forderung einer Fachdidaktik für die Lehre des Design.

Gedanken zur Designlehre

How to teach Civic Design

Die Round Table Diskussion der Themengruppe auf der DGTF Konferenz in Halle

Abstract

In der aktuellen kontroversen Diskussion[1] um die Rolle des Designs und die gemutmaßte Aufgabe/Verantwortung eines Designers in der Gesellschaft (subsumiert in dem interpretativen Begriff des Civic Designs[2]) muss grundsätzlich immer auch die didaktische Sicht berücksichtigt werden. Wenn Aufgabengebiete mehr oder minder klar umrissen werden können, so müssen wir uns ebenso Gedanken darüber machen, wie man die nötigen Kompetenzen zur Bewältigung derartiger Problemstellungen vermitteln kann. Hierbei soll der Fokus auf politische, historische und soziale Dimensionen in gestalterischen Projekten gelenkt werden. Die grundlegende Frage lautet also, wie Designlehre heutzutage aussehen sollte, um neben der obligatorischen fachlichen Ausbildung auch die Befähigung zur Bewältigung komplexer Aufgabenstellungen mit den o.g. inhärenten Aspekten vermitteln zu können.

1. Verortung

Die Round Table Session der Themengruppe Designdidaktik der DGTF[3] behandelte die Frage, welche Kompetenzen angehende Designer benötigen und wie man diese vermittelt, um die dem Design inhärenten politischen und sozialen Dimensionen bewältigen zu können, also im Entwurfshandeln sogenanntes “Civic Design” einfließen zu lassen. Lehrende berichteten in kurzen Statements über Best-Practice-Projekte zur Anreicherung der anschließenden Diskussion. Methodisch für die Gesprächsrunde wurden die neun W-Fragen der allgemeinen Didaktik nach Jank & Meyer[4] erörtert, um hieraus eine gemeinsame Diskussionsbasis zu extrahieren.

Drei große Fragestellungen ließen sich identifizieren:

  • Welche nötigen kognitiven Voraussetzungen müssen die Teilnehmer von Designlehrprojekten hierzu mitbringen?
  • Wie sehen Projektdefinition und Methodik solch eines Designlehrprojektes aus?
  • Wie definiert sich das eigentliche Lernziel (Learning Outcome) auf verschiedenen Ebenen?

Erschwert wurde die Diskussion durch unterschiedliche Verständnisbilder verschiedenster Begrifflichkeiten (bspw. Abgrenzung Civic Design, Social Design, Transformation Design, Stadtplanung). Bereits in der Auftakt-Podiumsdiskussion der DGTF-Tagung spalteten sich die Zuhörer in mehrere Lager auf, deren Verständnis des Begriffs “Civic Design” von einer rein willkürlichen Wortneuschöpfung über einen Übersetzungsfehler, bis hin zu einem dedizierten Bereich im Design reichten. Eine durchaus berechtigte Frage lautete, wie man etwas lehren könne, von dem man selber kaum eine konkrete Vorstellung habe, wie es auszusehen habe – Erst nach Klärung dieser Prämisse könne über Definition, Methodik, Durchführung und Bewertung gesprochen werden.

2. Ergebnis

Recht deutlich kristallisierte sich eine grundlegende Forderung an die Lehre in den Best-Practice-Vorträgen heraus, nämlich neben der fachlichen Ausbildung auch und gerade die Persönlichkeitsbildung des Studierenden zu fördern.
Die Methodik, wie dies konkret gestaltet werden könnte, sei Hochschul-, Dozenten- und Projektabhängig. Ansätze lassen sich im Lehrverständnis der Hochschule, respektive Fakultät bzw. dem Methodenbaukasten und der pädagogischen Befähigung des Dozenten finden. So könnte bereits in der Definition des Curriculums oder der Studienspezialisierung eine klare Verbindung zu bestimmten Themenfeldern der Lehre formuliert werden. Leitbilder der Fakultäten könnten explizit die Persönlichkeitsbildung durch Freiheiten in der Umsetzung von Lehrprojekten garantieren. Weiterhin könnten die Studierenden in Projekten mit bestimmten Aspekten konfrontiert werden, die geeignet sind, diesen die Annahme, Entwicklung und Vertretung einer eigener Haltung abzuverlangen. Dies damit die Studierenden diese im Projekt durch ihre Handlungen einfließen lassen und retrospektiv reflektieren (z.B. die Befragung von Zeitzeugen und Aufarbeitung historischer Gegebenheiten, dadurch Neubewertung der eigenen Meinung über das Thema).

Einige Teilnehmer stellten fest, dass die intrinsische Motivation auf studentischer Seite, sich mit solchen Themenstellungen auseinanderzusetzen, aber auch nötige Grundlagen für eine Auseinandersetzung, teilweise nicht erkennbar sei. Dies mag punktuell neigungsbedingt sein, schlimmer seien jedoch klare Defizite in Allgemeinwissen, Geschichte, Politik und Wirtschaft. Konkret wurde ein Beispiel genannt, in der eine Studentengruppe starke Schwierigkeiten hatte, wichtige Stationen der Geschichte (bspw. Rahmendaten der Weltkriege und Gründungshistorie Europas) zu benennen. Zeitliche Ressourcen sind generell bei Hochschulprojekten rar, die Aufholung dieser Defizite ist jedoch zur Durchführung derartiger Projekte essentiell und reduziert den zeitlichen Handlungsspielraum. Eine hiermit verbundene Frage ist auch, wie viele Grundlagen und welche Grundlagen die Studierenden per se mitbringen müssten, um sich überhaupt mit sozialen, kulturellen und politischen Themen beschäftigen zu können? Kann die Schule diese Aufgabe übernehmen oder sind die Hochschulen in der Verpflichtung ihre Module bzw. Kurse / Inhalte mit angepassten Voraussetzungen anzulegen? Was ist überhaupt nötig, um ein Verständnis für das eigene Tun entwickeln zu können, ein Bewusstsein und eine eigene Haltung? Ist dies überhaupt klar formulierbar? Einige Teilnehmer erzählten von positiven Erfahrungen mit konfrontativen Inhalten zu den üblichen Lehrinhalten, um genau dieses Verständnis zu fördern.

Letztendlich sind aber nach übergreifender Auffassung der Diskutanten in jedwedem Entwurfshandeln gesellschaftliche, soziale oder politische Aspekte inhärent, auch wenn nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Der Designer verändert durch seine Handlung schlussendlich die Realität um sich herum, mal mehr, mal weniger. Somit ist der Designer immer auch Täter, sollte sich daher seiner Tat und der Konsequenzen gewahr sein. Das Wissen um diese Tatsachen trennt vorsätzliches, bewusstes Handeln von fahrlässigem Handeln. Ein gutes Beispiel hierzu ist im Coffe-to-go-Becher zu finden. Der Designer dieses Produktes löste ein gewisses Problem, schaffte jedoch auf der anderen Seite ein neues: das Recycling der Mengen, die wir heute produzieren und konsumieren. Was wir in diesem Beispiel wie so oft nicht wissen, ist die Existenz um das Wissen dieser Konsequenz. Wurde sie bewusst in Kauf genommen, um das eigentliche Problem zu lösen, oder stellt sie einen unbeabsichtigten Nebeneffekt dar.
Hiermit einher geht die Aussage, dass „Civic Design“ lediglich mit dem Verständnis praktiziert werden könnte, dass unsere gesellschaftlichen Herausforderungen nicht einfach gelöst werden könnten, sondern eher als eine Anreihung von Dilemmas (bösartigen Problemen) zu verstehen seien, mit denen besser umzugehen sei[5], und es nicht die eine, optimale Lösung gäbe. Unter diesem Aspekt fällt es schwer, überhaupt eine Trennung der Worte Civic und Design zu finden. Scheinbar reden wir originär über Design[6], nicht speziell über eine Disziplinausprägung, wie “Social Design” oder “Civic Design”.
Wie sehen nun Projektdefinition und Learning Outcome für dieses „neue“ Design aus? Gibt es ein explizites oder eher implizites Ziel, gesellschaftliche Relevanz (in sozialer, historischer oder politischer Dimension) zu erfassen, eine Position zu beziehen? Muss es überhaupt benannt werden, oder reicht es, evaluierend, Auswirkungen zu erkennen und damit begründbar umzugehen? Hierzu konnte in der Workshoprunde keine eindeutige Position bezogen werden. Vielmehr stellte sich die Frage, welche Perspektive der Lehrende einnimmt und wie man derartiges bewerten kann? In der Bildungswissenschaft gibt es zwei gegensätzliche Vorstellungen von Lehrpositionen: Einmal als Lernbegleiter mit Methodenwissen, aber ohne allmächtiges Wissen, sozusagen als grober Helfer. Und auf der anderen Seite als Lehrender, der das Lehrziel sehr klar vorbestimmen kann. Offen bleibt jedoch die Frage nach einer adäquaten Bewertung, wenn das Ergebnis nicht exakt fest steht, zutreffend für den Großteil der komplexen Entwurfsprojekte. Übereinstimmend wurde der Prozess der Problembewältigung in den Vordergrund gestellt, analog zum Bewertungsansatz des Forschungsprojektes COTES[7]. Es kommt also nicht mehr nur alleinig auf das Artefakt bzw. das Projektergebnis an, sondern zunehmend auf den Gestaltungsprozess, die Methodenidentifkation und -anwendung.

3. Ausblick

In der gesamten Diskussion um das Thema “Social Design”, “Civic Design”, “Transformation Design” und weiterer besteht Verwirrung. In Ermangelung klarer Definitionen innerhalb der Disziplin dessen, was Design in seiner ursprünglichen Form sei bzw. sein sollte, und inwiefern eine Differenzierung in o.g. Felder überhaupt sinnvoll ist, muss letztendlich jeder einzelne und jede Bildungsinstitution für sich formulieren, welche sozialen und politischen Dimensionen in Designprojekten verortet werden können bzw. sollen und ob dies beispielsweise in Leitbildern und Lehrverständnissen zu fixieren sei, um die eigene Rolle als gestaltendes Element innerhalb der Zivilgesellschaft in der Designbildung zu schärfen. Hierzu zählt ebenso die Art und Weise, also die Methodik, wie dies konkret im Lehralltag umgesetzt wird, beispielsweise auf impliziter oder expliziter Weise. Anzuraten sind repräsentative Projektbeschreibungen der Lehrrealität in Werkschauen, Projektboxen oder sonstigen Publikationsformen (vgl. Einführungsband Transformation Design für Erstsemester an der Hochschule Braunschweig). Rückblickend auf die humboldtschen Werte sollte in jeder Hochschulbildung das Individuum und dessen individuelle Belange im Vordergrund stehen. Dabei sollten die Erwartungen und Anforderungen an den Einzelnen realistisch bleiben. Dogmatischer Imperativ und utopische Vorstellungen (z.B. Weltenrettung) sind genauso fehl am Platz, wie die Verkennung der eigentlichen Anforderungen der Lehrwirklichkeit. Abschließend stellen wir die These auf, dass wir hier kontinuierlich von Aspekten des originären Designs als Entwurfhandeln sprechen. Eine feingliedrige Aufschlüsselung in „Civic Design“ ist unnötig, da die bislang genannten Punkte, die „Civic Design“ ausmachen, in jedwedem Entwurfshandeln inhärent verortet sind. Die Frage, wie also Design heutzutage gelehrt werden soll, ist äußerst individuell und sollte zu einer differenzierten Bildungslandschaft mit geschärften Studiengängen führen, so dass Studierende von vorneherein den optimalen Nährraum für ihre individuelle Förderung und Persönlichkeitsentwicklung finden können.

Michael Hebel, Guido Kühn, Philip Zerweck

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[1] vgl. 14. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung unter dem Thema “Civic Design” am 01./02.12.2017 in Halle
[2] „Civic Design“ besitzt bis dato keine eindeutige Definition. Grob umrissen wird unter diesem Begriff die Einbindung sozialer, politischer und partizipativer Aspekte im Designhandeln verstanden (siehe 1). Hiermit soll – ähnlich dem „Social Design“ – im Spannungsfeld Regierung und Bürger eine positive Wirkung für unsere Gesellschaft erzielt werden
[3] Deutsche Gesellschaft für Designtheorie und –forschung e.V.
[4] Jank, W. & Meyer, H.: Didaktische Modelle. 7. Aufl., Berlin: Cornelsen Verlag. 2005
[5] http://de.slideshare.net/mobile/NakedCivics/what-is-civic-design-7825849, Abgerufen am 12.01.2018
[6] Vgl. Rittel
[7] Link zu Cotes

 

Guido Kühn

2001-2013 Professur AV Mediendesign an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Hall | 2011-2016 Dozent für Designtheorie und Praxis, AV Medienkommunikation und Social Media Management an der Hochschule Heilbronn | 2015-2018 Professur Cross Media Design an der Hochschule Heidelberg | Seit 2022 Professur Gamedevelopment-2D Art and Animation an der Hochschule Neu-Ulm mit Philip Zerweck Gründer von Plattform und DGTF Themengruppe Designdidaktik. de

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